Paris 2022
Auf die Idee, mir im Rahmen unseres Erasmus+ Programmes einmal eine Berufsschule für Gastronomie in Paris anzuschauen und den KollegInnen dort über einen längeren Zeitraum hinweg über die Schulter zu schauen, kam ich bereits vor 3 Jahren.
Damals waren wir zu viert für 5 Tage in Stockholm und hatten verschiedene Berufsschulen besichtigt. Wir hatten viele interessante Anregungen mitgenommen und ich überlegte, wo so ein Aufenthalt noch Sinn machen könnte. Und wie ich sich ein solcher Aufenthalt gestalten müsste, um noch mehr mitzunehmen für die eigene Arbeit.
Relativ schnell kam mir die Idee, direkt im Mutterland der gastronomischen Berufe, am besten in Paris, einmal über einen noch etwas längeren Zeitraum hinweg eine Berufsschule kennenzulernen.
Ich selbst habe als junger Koch ein halbes Jahr in Paris gearbeitet und war damals schon fasziniert davon, welche herausgehobene Stellung gastronomische Berufe und die diesbezügliche Ausbildung Paris haben.
Vorbereitung des Aufenthaltes
Ich kontaktierte im Vorfeld drei Schulen in Paris, die mir aufgrund ihres Profils geeignet erschienen (insgesamt gibt es in Paris über 15 Berufsschulen für Gastronomie).
Mme Vergari von der EPMT Paris antwortete und zeigte sich direkt offen für einen solchen Besuch.
Zur Übernachtung bot mir die EPMT an, im „Foyer EPMT“, dass von der Schule betrieben wird und in dem überwiegend SchülerInnen der EPMT wohnen, zu übernachten.
Um den Aufenthalt möglichst interessant und für die eigene Arbeit gewinnbringend zu gestalten, informierte ich mich vorab über das Ausbildungssystem in Frankreich und plante in Ergänzung zu meinem „Job-Shadowing“ an der EPMT weitere Programmpunkte während meines Aufenthaltes in Paris.
Der Aufenthalt, der vom 14.-24.04.2020 geplant war, musste dann kurz vorher aufgrund des ersten Corona Lockdowns abgesagt werden.
Nach zwei Jahren kam es dann vom 01.04.2022- 14.04.2022 endlich dazu, dass ich meinen Aufenthalt in Paris tatsächlich umsetzen konnte.
Das System der Ausbildung im Bereich Ernährung/Gastronomie in Frankreich
Die duale Ausbildung als System der Ausbildung in vielen unterschiedlichen Berufsfeldern mit staatlichen Berufsschulen, die den schulischen Part der Ausbildung abdecken, gibt es in Frankreich so nicht.
Im Bereich der Gastronomie gibt es diverse Bildungsgänge bzw. Ausbildungen, die junge Menschen jeweils auf bestimmte Abschlüsse vorbereiten, die ihnen zum einen die Möglichkeit geben, in der Gastronomie bspw. als „Cuisinier“ zu arbeiten. Die jungen Menschen haben allerdings auch die Möglichkeit, anschließend den nächsthöheren Bildungsgang zu absolvieren.
So gibt es beispielsweise den CAP, der einer einfachen, zweijährigen Ausbildung entspricht. Dieser kann sowohl vollschulisch als auch in dualer Form absolviert werden.
Im Anschluss können die jungen Menschen dann den Bildungsgang BAC Pro machen, der zu einer Art Fachabitur führt. Ebenso können sie nach dem CAP noch das brevet professionel (BP) machen. Dies entspricht am ehesten dem klassischen Ausbildungsabschluss.
Mit welchem Abschluss ein junger Mensch dann „Koch“ ist, ist nicht so exakt geregelt, wie in Deutschland.
Das System enthält sowohl Elemente unserer Vollzeitschulformen als auch der dualen Ausbildung.
An der EPMT findet die Ausbildung in den Klassen des CAP, des BAC PRO, sowie weiterer Bildungsgänge immer in dualer Form statt.
Verglichen mit Deutschland hat Frankreich ein wesentlich geringeres Problem Nachwuchs für die Gastronomie zu finden.
Das liegt sicher auch am hohen Ansehen, das der Kochberuf in Frankreich genießt.
Die erste Woche
Nach meiner Ankunft, die auf einen Freitagnachmittag fällt, nutze ich das Wochenende, um einige der zusätzlichen Programmpunkte wahrzunehmen.
Am Samstag schaue ich mir einen Ausbildungsbetrieb, ein großes Hotel an und unterhalte mich mit Ausbildern und Auszubildenden über Ihre Erfahrungen.
Am Sonntag besichtige ich einen weiteren Ausbildungsbetrieb und zwei Wochenmärkte.
Am Montag ist mein erster Schultag.
Der Empfang durch den „responsable de Cuisine“ M. Bligny, ist offen und herzlich. Ich lerne die Küchenlehrkräfte kennen und hospitiere den Tag über bei M. Baillou, in der Küche des Restaurant d’Application der EPMT. Dieses steht jedem offen. Angeboten wird dort jeden Mittag ein hochwertiges drei gängiges Menu. Der Gästekreis besteht zum Großteil aus Anwohnern des Viertels Levallois Perret, aber auch aus Geschäftsleuten, die Arbeitsessen abhalten.
Meist wird der Hauptgang von den Auszubildenden im Servicebereich am Tisch tranchiert. An meinem ersten Tag ist dies ein Perlhuhn, das im Ganzen zubereitet und am Tisch tranchiert wird.
Die Klasse, die ich in den folgenden beiden Tagen im Unterricht begleite, ist eine Klasse, die im dritten Jahr an der Schule ist (BP). Die Schülerinnen und Schüler zeigen sich sehr motiviert und arbeiten sehr selbstständig. Das liegt sicher auch an M. Baillou, der mit seiner engagierten und agilen Art alle mitnimmt. Mir gegenüber sind die Schülerinnen und Schüler offen und interessiert. Ich muss viele Fragen rund um die Gastronomie in Deutschland, die Ausbildung und typisch deutsche Spezialitäten beantworten.
Am Dienstag besichtige ich Rungis, den größten Lebensmittelumschlagplatz Europas.
Da die Führungen momentan Coronabedingt ausgesetzt sind, verschaffe ich mir über einen ehemaligen Kollegen die Möglichkeit, Zugang zum Großmarkt zu bekommen.
Aufgrund der Größe ist es mir als Einzelbesucher nicht möglich, den ganzen Großmarkt zu besichtigen.
So konzentriere ich mich auf die Fischauktionshalle, eine Riesige Halle, in der der frischste und beste Fisch Europas gehandelt wird, und das in unglaublichen Mengen.
Der Besuch startet um 03.00 Uhr morgens, ich bin bereits um 02.00 Uhr aufgestanden, da das Geschäft dort bereits um 5.00 Uhr endet.
Ich lasse mir von einem Händler, zu dem ich über meinen ehemaligen Kollegen Kontakt hatte, die Abläufe und Prozesse erklären. Von der Lieferung der Fische aus den unterschiedlichsten Landesteilen, der Lagerung, über die Hygienemaßnahmen bis zur Auslieferung an Restaurants und Hotels.
Der Besuch endet bereits um 8.00 Uhr, da in Rungis dann der Arbeitstag mehr oder weniger vorbei ist.
Am Donnerstag findet ein Teil des fachpraktischen Unterrichtes abends statt, da die Schule an diesem Abend Unternehmen, die sich an der Finanzierung der Schule beteiligen, ins schuleigene Restaurant eingeladen hat.
Es wird ein hochwertiges, viergängiges Menu gekocht und ich empfinde die Schülerinnen und Schüler als besonders motiviert. Das gerade ihre Klasse ausgewählt worden ist, diesen besonderen Abend zu gestalten, motiviert sie zusätzlich.
Am Freitag hospitiere ich bei M. Sendin der eine Klasse unterrichtet, die nach ihrem CAP eine einjährige Zusatzausbildung in „Patisserie en Plat“, also „Patisserie auf dem Teller“
macht. Gemeint sind Desserts in Restaurants.
Zubereitet wird ein Dessert rund um Rhabarber und grünen Tee.
Die Unterrichtseinheit läuft so ab, dass die Schülerinnen und Schüler 3 Stunden für die Zubereitung ihres Gerichtes haben und dann bewertet wird. Die Bewertung des Gerichtes wird mit den Schülerinnen und Schüler reflektiert.
Ich finde diese regelmäßige Bewertung der Gerichte anhand bestimmter Kriterien eine gute Idee, die ich sicherlich auch in meinen Unterricht einbauen werde.
Die Desserts werden in einer Fotobox fotografiert .
Die zweite Woche
Als ich montags an die Schule komme, sind fünf von acht Fachpraxislehrkräften krank.
M. Bligny, der normalerweise nur administrative Tätigkeiten übernimmt und nicht unterrichtet, springt ein. Zusammen mit ihm bin ich im Unterricht im Ramen des schuleigenen Restaurants eingeteilt.
Für den Unterricht werden spontan zwei Klassen zusammengelegt. M. Bligny hat zusätzlich noch die Organisation der in dieser Woche beginnenden praktischen Prüfungen zu verantworten.
Die Klassen, die heute in der Küche arbeiten, sind deutlich schwächer. Die Schülerinnen und Schüler benötigen eine engere Anleitung durch die Lehrkraft.
Es ist interessant, zu beobachten, wie M.Bligny mit den Schülerinnen und Schüler umgeht und mit welcher Geduld er die Rezepte wiederholt erklärt, und das trotz des Zeitdrucks, der durch das Restaurant und die erwarteten Gäste definitiv gegeben ist.
Am Dienstag morgen erwartet mich eine Überraschung.
Da so viele Kollegen ausgefallen sind, werde ich gefragt, ob ich als Prüfer an einer praktischen Prüfung teilnehme. Eine spannende Herausforderung. Es ist interessant, die Unterschiede, aber auch die Parallelen zu unseren praktischen Prüfungen zu sehen.
In Frankreich wird sehr viel Wert auf die Kenntnis der klassischen Garnituren und der klassischen Zubereitungen.
Die Prüflinge haben die Aufgabe, in vier Stunden ein klassisches „Fricassée de Volaille à l’ancienne“ und „Oeuf farcis Chimay „ zuzubereiten.
Ich bewerte gemeinsam mit M. Sendin den Arbeitsprozess und am Ende die Arbeitsergebnisse anhand eines vorgegebenen Schemas. Das Bewertungsschema ist dem, welches wir für die praktischen Prüfungen verwenden sehr ähnlich: Planung, Hygiene, Arbeitssicherheit, Arbeitsorganisation, fachliche Ausführung, Zeitmanagement, Kreativität, Anrichteweise, Garpunkte, Geschmack und Aussehen der Speisen. Die einzelnen Kriterien werden bepunktet, gewichtet und am Ende zu einer Gesamtwertung, im französischen 20 Punkte System, zusammengefasst. Wer 50%, also mindestens 10 Punkte erreicht, der hat bestanden.
An diesem Tag bestehen alle Prüflinge die Prüfung. Und für mich ist es definitiv eine sehr interessante Erfahrung.
Aufgrund des hohen Krankenstandes kommt am nächsten Tag eine weiter Interessante Erfahrung dazu:
Ich übernehme gemeinsam mit M. Bligny den fachpraktischen Unterricht in einer Klasse, in der der Kollege ausgefallen ist.
Dafür wird die Klasse geteilt. Rezepte und Zutaten sind vorhanden.
Meine Aufgabe besteht darin die Schülerinnen und Schüler bei der Zubereitung der Rezepte zu unterstützen und Fragen zu den Zubereitungen zu beantworten.
Da das Handwerk, die Techniken und die Zubereitungen der klassischen Küche in Deutschland und Frankreich in den relevanten Punkten ähnlich bis gleich sind, funktioniert das erstaunlich gut.
Die Schülerinnen und Schüler begegnen mir offen und akzeptieren mich schnell als Lehrkraft.
An diesem Tag treffe ich nachmittags Mme Vergari, die Erasmus Koordinatorin.
Mit Ihr tausche ich mich aus und wir vereinbaren, in Kontakt zu bleiben und zu schauen, ob ggf. die Möglichkeit eines Austausches besteht.
Der Donnerstag ist mein letzter Tag.
Ich verabschiede mich morgens von den KollegInnen an der Schule und bedanke mich für die Gastfreundschaft.
Wir vereinbaren, in Kontakt zu bleiben.
Nachmittags treffe ich noch einen ehemaligen Kollegen, der zu der Zeit, als ich als junger Koch für ein halbes Jahr in Paris gearbeitet hatte, mein stellvertretender Küchenchef war und der heute persönlicher Repräsentant des französischen Präsidenten für die Gastronomie ist.
Mit Ihm tausche ich mich über die Entwicklung der Gastronomie und über die Berufsausbildung in Frankreich und Deutschland aus. Mit diesem Treffen endet dieser für mich sehr interessante, spannende und erfahrungsreiche Aufenthalt in Paris.
Resumé
Das System der beruflichen Bildung in Frankreich habe ich durch meinen Aufenthalt näher kennengelernt. Mir sind Vor- und Nachteile deutlich geworden.
Ich denke, ein großer Vorteil, den die Gastronomie als Branche insgesamt, und damit auch das Ausbildungssystem der Gastronomie in Frankreich hat, ist der hohe Stellenwert, den die Gastronomie in der französischen Gesellschaft hat.
Sie gehört in Frankreich ohne Wenn und Aber zum allgemein anerkannten Kulturgut. Der Beruf des Kochs genießt in der Gesellschaft hohes Ansehen. Deshalb hat die französische Gastronomie nur in wesentlich geringerem Maß mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen.
In Deutschland ist in den letzten Jahren sicherlich auch eine positive Entwicklung zu beobachten, was das Ansehen dieses Berufes betrifft. Allerdings in anderem Maß als in Frankreich.
Was die Qualität der Ausbildung betrifft, wird mir bei meinem Aufenthalt klar:
Ob unser System, einer einheitlichen dualen Ausbildung oder das System unterschiedlicher Bildungsgänge wie in Frankreich. Am Ende hängt es vom Engagement der Ausbilder, der Betriebe, der Lehrkräfte und der Schule ab, wie gut eine Ausbildung ist.
Das wichtigste aber, das ich von diesem Aufenthalt mitnehme, neben den neuen Kontakten und der menschlichen Seite, sind die kleinen Details, die mir aufgefallen sind, die ich für mich selbst ausprobieren werde und die, da bin ich mir sicher, meinen Unterricht bereichern werden.
So z.B. die Struktur der Rezepte, die ich für die SuS als wesentlich einfacher zu verstehen fand.
Die Fotobox, in die die Schülerinnen und Schüler ihre Teller platzierten und die mit wenig Aufwand sehr schöne und hochwertige Fotos der Gerichte gemacht wurden, welche sie zubereitet hatten.
Oder die Art und Weise, wie M.Baillou bei der Zubereitung von Teigen und Massen zwischen den einzelnen Arbeitsschritten immer wieder zwischen Demonstration durch die Lehrkraft und Eigenarbeit der Schülerinnen und Schüler wechselte und das Ganze so leicht verständlich vermittelte.
Und genau diese Kleinigkeiten sind es, die meiner Meinung nach der größte Nutzen eines solchen Aufenthaltes sind.
Allein dafür hat es sich gelohnt. Und ich werde definitiv wiederkommen.