Birmingham 2023
Erasmusfahrt nach Birmingham vom 4. bis 11. März 2023, Besuch von acht Praxiseinrichtungen
Am 04.03.23 fuhren vier Lehrkräfte mit dem Zug nach Birmingham, hospitierten in Nursery Schools und besuchten Studierende, die derzeit im ersten Ausbildungsjahr zum Erzieher/zur Erzieherin sind. Die zehn Studierenden absolvieren ihr Praktikum in zehn Einrichtungen, die sich in unterschiedlichen Stadtteilen in Birmingham befinden. Die Studierenden leben während des Praktikums zu zweit oder zu dritt in selbstgewählten Wohnungen in verschiedenen Stadtteilen.
Am 05.03.23 haben wir uns mit den Studierenden in einem Café getroffen und uns mit ihnen über ihre bisherigen Erfahrungen ausgetauscht. Dabei zeichnete sich bereits ab, dass die Studierenden vielfältige Erfahrungen machen und die Arbeit in den Einrichtungen sich in vielen Bereichen von der in deutschen Kindertagesbetreuungen unterscheidet. Das Treffen diente auch dazu, um mögliche Herausforderungen bereits vor dem Besuch aufgreifen zu können. Die Studierenden berichteten, dass die erste Woche viele Eindrücke brachte und einzelne sagten, dass sie sich sehr gut betreut fühlten. Zwei Studierende gaben jedoch an, sich in manchen Bereichen überfordert zu fühlen. Das Treffen bot uns die Gelegenheit, diese Studierenden zu ermutigen und ihnen Unterstützung anzubieten.
In den folgenden Tagen (06.03 – 10.03.23) besuchten wir die Studierenden in ihren Einrichtungen. Die Netzwerkkoordinatorin, Sue Bennett, hatte dafür im Vorfeld einen Besuchsplan erstellt. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fuhren wir in die verschiedenen Stadtteile, die sich in ihren sozioökonomischen Bedingungen stark unterscheiden, was große Auswirkungen auf die Arbeit mit den Kindern hat. In Stadtteilen mit vielen Sozialwohnungen waren viele Kinder in den Nursery Schools, die Englisch als Zweit-/Drittsprache (English as additional language (EAL)) lernten. Für die Treffen war geplant, dass es einen fachlichen Austausch mit den Leitungen, Fachkräften und ein Anleitergespräch geben sollte. Teilweise konnte auch hospitiert werden.
Die Besuche gestalteten sich in allen Einrichtungen ähnlich, jedoch gab es jeweils feine Unterschiede. Zu den Gemeinsamkeiten zählt, dass es immer einen Rundgang durch die Einrichtung gab, bei dem wir uns mit den Fachkräften und den Studierenden über die Lernumgebung und das Konzept austauschten. Dabei kam es zu spannenden Gesprächen und interessanten Erkenntnissen wie zum Beispiel, dass der Begriff „Forest School“ in den Einrichtungen vor Ort einen bestimmten Teil im Außengelände bezeichnet, der mit Naturmaterialien ausgestattet ist und zum Beispiel eine Matschküche als festen Bestandteil enthält, während in Deutschland „Waldkindergarten/-schule“ einen Handlungsansatz meint, in welchem die Einrichtungen die meiste Zeit im Wald und der Natur verbringen.
Die Anleitergespräche wurden in allen Einrichtungen nach dem Rundgang geführt. Sie dienten dazu, dass die Studierenden gemeinsam mit ihrer Mentorin und einer Lehrkraft ihre bisherige Zeit in der Einrichtung reflektierten. Da diese Art des Gesprächs eine Eigenheit der Ausbildung an Berufsschulen in Deutschland ist, waren wir gespannt darauf, ob die Fachkräfte vor Ort diese Gesprächssituation kennen und welchen Schwerpunkt sie in diesem Gespräch legen würden. Uns fiel auf, dass die Mentorinnen sich stets positiv über die Studierenden äußerten und zufrieden mit der Zusammenarbeit waren. Bei einer Studierenden wurde zurückgemeldet, dass diese zunächst unsicher war, sich jedoch in der zweiten Woche viel selbstbewusster zeigte. Im Austausch erfuhren wir weitere Schwerpunkte der Arbeit und die Studierenden bekamen Hinweise, wie sie sich in Zukunft einbringen könnten. Ein weiteres Thema war die Besprechung der Beobachtungsaufträge und das Ziel dieser. Dies war für die Mentorinnen eine unbekannte Aufgabe.
Durch den Besuch der verschiedenen Einrichtungen wurde deutlich, dass jede Einrichtung das nationale Curriculum (Early Years Foundation Stage) umsetzt, jedoch in manchen Punkten verschiedenen Schwerpunkte setzt. Die Einrichtungen unterscheiden sich zum Beispiel darin, wann sie die Kinder zu Gesprächen einladen und ob diese verpflichtend oder freiwillig sind. Ein anderer Unterschied war die Wahl der Materialien. Zum Beispiel erstellt eine Einrichtung in regelmäßigen Abständen großformatige „Floorbooks“ gemeinsam mit den Kindern zu spezifischen Themen, die sie dann in der Gruppe aufgreifen und vorlesen. Allen Einrichtungen gemein ist die eigene Herstellung von Knete (play dough) zusammen mit den Kindern. Generell verfolgen die Einrichtungen den Ansatz, durch vorbereitete Umgebungen gezielte Bildungserfahrungen zu ermöglichen. Auch die Außenbereiche sind nach diesem Konzept gestaltet. Alle besuchten Nursery Schools verfügen über große Außengelände, die die Kinder emsig nutzten. Sie balancierten, fuhren mit ihren Fahrzeugen, hüpften, matschten, beäugten uns neugierig.
Während der Rundgänge und im Anschluss boten sich viele Gelegenheiten für einen fachlichen Austausch mit den pädagogischen Fachkräften, durch welche wir für uns als Lehrkräfte Materialien und neue Anregungen mitnehmen konnten. In einer Einrichtung tauschten wir uns beispielsweise über die Zusammenarbeit mit den Familien aus und bekamen eine Vorlage, die in der Einrichtung genutzt wird, um zu Beginn Informationen über die Familien der Kinder einzuholen. Diese Informationen werden dann im Alltag für Gesprächsanlässe genutzt. Der Austausch fand mit unterschiedlichen Personen statt, die verschiedene Positionen innehaben. wie z.B. „headteacher“, „teacher“, „teacher assistant“ (Level 3), „playworker“, „student in training“.
Am 08.03.23 trafen wir uns abends mit Sue Bennett und erfuhren bei einem gemeinsamen Abendessen in einem bekannten Balti-Restaurant viel über das Bildungssystem, die Entstehung der Nursery Schools und die Entwicklung des Curriculums. Birmingham ist mit 27 Nursery Schools die Stadt mit den meisten Einrichtungen dieser Art. Sie berichtete von den Herausforderungen der Nursery Schools und dass diesen in den vergangenen Jahren immer wieder Förderungen gestrichen wurden. Wir tauschten uns über die Fragen der Finanzierung aus und über die Tendenz, dass der Fokus in der Arbeit mit Kindern stärker auf den Erwerb von „knowledge“ und weniger auf den von „skills“ gelegt werde. Für die Einrichtungen scheint es zunehmend herausfordernd, eine Balance zwischen angeleiteten Aktionen und selbstgewählten Spielsituationen zu finden. Die Einrichtungen pflegen seit einiger Zeit ein Netzwerk, um sich gegenseitig zu stärken und die Interessen der Nursery Schools in den politischen Gremien einzubringen.
An diesem Abend begann es in Birmingham zu schneien. Auf Grund des starken Schneefalls wurden in den folgenden Tagen in einigen Stadtteilen die Nursery Schools geschlossen. Daher konnten wir zwei Einrichtungen nicht besuchen. Leider entfiel auch der Besuch des Centre for Research in Early Childhood (CREC), der für Freitagnachmittag mit einem Get-Together von unseren Studierenden mit englischen Studierenden geplant war. Ein Wasserschaden hatte die Schließung des Gebäudes zur Folge. Daher beschlossen wir, uns mit unseren Studierenden und Sue Bennett in einem Café zu treffen. Dies war eine gute Gelegenheit für Sue die Studierenden kennenzulernen. Sue hatte von einigen Einrichtungen mitgeteilt bekommen, dass für die Fachkräfte der Einrichtungen der Austausch mit uns eine besondere Gelegenheit war, die eigene Arbeit zu erklären und zu reflektieren. Dies wurde als positiver Effekt wahrgenommen. Sue erwartet ein starkes Interesse, den Austausch im nächsten Jahr zu wiederholen. Wir haben die Gastfreundschaft der Einrichtungen und der Netzwerkkoordinatorin sehr genossen und haben ein großes Entgegenkommen und Interesse wahrgenommen. Einige Leiterinnen (Headteacher) äußerten explizit das Interesse, unsere Arbeit im frühkindlichen Bereich in Deutschland kennenzulernen.